Dienstag, 10. Mai 2011

11 Thesen zu car2go


  1. One-way und Minutentakt machen car2go zur äußerst flexiblen Ultrakurzzeitmiete, als Steigerung des Kurzzeitmiet-Angebotes “Carsharing”.
    car2go kombiniert die häufig diskutierten Erweiterungen One-way, Open end, Instant access und stationslos mit Buchung im Minutentakt. Wirklich systemverändernd ist vor allem One-way kombiniert mit der Buchung im Minutentakt. Instant access und Open end machen es als Ultrakurzzeitangebot zwar einfacher, verändern aber den Charakater des Angebotes nur zum Teil und wären mit Smartphones usw. auch anders lösbar. Und ob die Kunden ein stationsloses Angebot einem dichtem Stationsnetz mit reservierten Stellplätzen vorziehen, kann man vor allem in Gebieten mit Parkplatzproblemen bezweifeln.
    Doch in der Summe führt die Kombination der Eigenschaften zu einem äußerst flexiblen Angebot, das gerade für sehr kurze Fahrten äußerst attraktiv ist.
  2. Die car2go-Ulrtrakurzmieten dauern meist weniger als 30 Minuten Fahrtzeit bzw. die Kunden fahren weniger als 10 km. Dieses Fahrprofil zielt auf weit über 50% der Fahrten privater Pkws. Die car2go-Ultrakurzzeitmieten zielen damit auf ein Vielfaches der Fahrten, auf die das “klassische” Carsharing-Angebot zielt. car2go-Ultrakurzzeitmieten sind - wie car2go in Ulm zeigt - ein Markt, der bei aktuellen Rahmenbedingungen mehrere 100% größer als der “klassische” Carsharing-Markt sein kann.
  3. car2go-Ultrakurzzeitmieten sind zumeist Pseudo-One-Way.
    car2go gibt an, dass über 90% der Fahrten, One-way-Fahrten sind. Dies gilt in dem Sinne, dass Ort des Fahrtbeginns und des Fahrtendes unterschiedlich sind. Doch es gibt vielerlei Hinweise und Erfahrungen, dass die Summe der Fahrten der einzelnen Personen wieder zum Ausgangsort zurückführen und lediglich das Auto am Zielort freigegeben wurde, um dann später mit einem anderen car2go zurückzufahren. Es ist aber durchaus plausibel, dass die One-way-Option intermodale Ketten (z.B. hin mit dem car2go um etwas zu transportieren, mit dem ÖPNV zurück) überhaupt erst ermöglichen und entsprechend durchaus in einem kleineren Teil der Fälle vorkommen.
  4. Die car2go-Ultrakurzzeitmiete begrenzt die Nutzung mittels der Tarife künstlich auf innerstädtische Fahrten.
    Car2go betont oft, dass es - im Gegensatz zum “klassischen” Carsharing - ein innerstädtisches Angebot ist. Dies ist aber nicht zwingend Ergebnis des “One-way”-Ultrakurzzeit-Angebotes, sondern Auswirkung des hohen Zeitpreises. Bei bis zu 15 € pro Stunde wird ein Halt außerhalb des Geschäftsgebietes völlig unattraktiv teuer. Hier zeigen klassiche Carsharing-Tarife mit Stundenpreisen meist deutlich unter 5 EUR kombiniert mit km-Preisen, die sich an den variablen Kosten orientieren, dass Tarife einen Halt außerhalb der Stadt ökologisch wie ökonomisch möglich machen.
  5. Car2go-Ultrakurzzeitmieten sind mit über 50 Cent pro Kilometer teurer als der private Pkw und der ÖPNV.
    Bei innerstädtischen Durchschnittsgeschwindigkeiten von 20-30 km/h innerhalb der Städte kostet der km einer car2go-Ultrakurzzeitmiete quasi immer deutlich über 50 Cent, häufig 60-70 Cent. Die Ultrakurzmiete ist damit meist deutlich teurer als der private Pkw. Für ÖPNV-Einzelkarteninhaber ist eine car2go-Ultrakurzzeitmiete auch meist teurer, wenn auch nicht so deutlich der private Pkw.
  6. Die gerade für car2go-Ultrakurzzeitmieten typischen, innerstädtische Fahrten von einigen Kilometern sind verkehrspolitisch genau die Fahrten die auf den Umweltverbund verlagert werden sollen.
    Wenn Fahrten auf den Umweltverbund verlagert werden sollen, dann insbesondere die Fahrten bis 5 bzw. 10 km. Das verkehrspolitisch sensible ist, dass die car2go-Ultrakurzzeitmieten genau auf diese häufig durch den Umweltverbund ersetzbaren Wege zielen, ganz im Gegensatz des klassischen Carsharing, das vor allem auf Fahrten abzielt, die durch den Umweltverbund schwer abzubilden sind.
  7. Mit den kostenlosen Parkspots in den Innenstädten subventioniert die car2go-Ultrakurzzeitmiete ausgerechnet die auf Zentrum gerichteten Fahrten.
    car2go wird durch das kostenlose Parken in der City auf diesen Hauptrouten des ÖPNV für potentielle Autofahrer durch die eingesparten Parkgebühren zur äußerst attraktiven Alternative, denn bei Fahrten in die City mit dem privaten Pkw übersteigen die Parkgebühren die Kosten für car2go-Fahrten häufig spürbar. Somit werden ausgerechnet Fahrten in die City subventioniert und häufiger günstiger als der private Pkw.
  8. Dass car2go-Ultrakurzzeitmieten vor allem im Vergleich zu ÖPNV-Fahrten auf Basis der relativ teuren Einzelfahrscheine attraktiv sind, ist vor allem Ausdruck der wesentlichen Schwächen des ÖPNV-Einzelfahrscheins gegenüber dem MIV.
    Bei einem ÖPNV-Einzelfahrschein liegt der effektive km-Preis vor allem bei Fahrten unter 5 km meist bei 50-60 Cent und damit im Bereich des Preises einer car2go-Fahrt. Wenn man sich aber in der Summe verdeutlicht, dass die car2go-Fahrt meist mit 3-7€ deutlich teurer als der Einzelfahrschhein ist, wird deutlich, dass die Attraktivität der car2go-Fahrt nicht an dem neuen Ultrakurzzeitmiet-Angebot selbst liegt, sondern an der deutlich höheren Attraktivität des MIV, der bei vielen Wegekonstellationen, vor allem in der Freizeit, auch innerhalb der Stadt, viel schneller und flexibler ist und deshalb von den Kunden spürbare Preisaufschläge akzeptiert werden. Ein privater Pkw dürfte selbst bei Vollkosten quasi immer unter den km-Kosten eines ÖPNV-Einzelfahrscheins bleiben. Die Attraktivität von car2go ist also keine Stärke dieses neues Angebotes, sondern des MIV grundsätzlich und dies leider auch bei kurzen Wegen innerhalb der Stadt.
  9. Auch bei car2go-Utrakurzzeitmieten gilt der implizite Lerneffekt durch die Vollkosten. Das “Nutzen statt Besitzen” könnte - wenn auch vermutlich schwächer als im “klassischen” Carsharing - gerade für diese kurzen Fahrten die Kunden zu Fahrradfahrern machen.
  10. Bei tangentialen Fahrten, vor allem in den Nebenzeiten, können car2go-Ultrakurzzeitmieten u.U. verkehrspolitisch wünschenwert Lücken des ÖPNV schliessen und so den Umweltverbund stärken, wenn dadurch der Auto-Besitz verringert wird.
  11. car2go-Ultrakurzzeitmieten sind alleine kein Ersatz für den privaten Pkw, doch zusammen mit dem dem klassischen Carsharing und dem Umweltverbund können sie die Alternative zum eigenen Auto stärken.

Fazit:
Dem Car2go-Ultrakurzzeitmiet-Angebot ist anzumerken, dass dies Angebot ein Automobilkonzern entwickelt hat, um für sich neue Märkte des innerstädtischen Verkehres zu erschliessen. Trotzdem gelten die öko-effizienten Mechanismen des “Nutzen statt Besitzen”. Um wirklich verkehrspolitisch positive Wirkung zu besitzen, erscheinen vor allem drei Veränderungen des Angebotes verkehrspolitisch wünschenwert:
a) Keine Parkspots in der City und Verzicht auf Zielorte, die der ÖPNV gut bündelt.
b) Tarife die Aufenthalte - wie die klassischen Carsharing-Tarife - außerhalb der Stadt finanziell darstellbar machen, um wirklich ein Ersatz zum eigenen Auto zu sein.
c) Ultrakurzzeitmiet-Angbote sollten mit “klassischem” Carsharing mit breiter Fahrzeugflotte und langfristiger Buchbarkeit kombiniert werden, um ein vollwertiger Ersatz für den privaten Pkw sein zu können.