Samstag, 15. November 2008

Warum "Nur für das Fahren zu zahlen" für das Carsharing nicht (immer) nachhaltig ist

Das neue Angebot der DB mit Flinkster setzt den Trend von sixticarclub und DB Carsharing fort: Keine Fixkosten, bei Flinkster nicht mal einmalige Kosten. Nur zu zahlen, wenn man auch fährt, ist ein sehr niedrigschwelliges und für Kunden sehr attraktives Angebot. Dass man damit sehr viele Kunden gewinnen kann, zeigt DB Carsharing seit 6 Jahren.

Wenn die niedrigschwelligen Angebote zu so vielen Kunden führen, warum schwenken die klassischen Carsharing-Anbieter auf diese Tarifstruktur nicht ein? Dass es nicht Ausdruck der fehlenden Flexibilität ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit.

Mit dem Start vieler Kooperationen zwischen lokalen Carsharing-Anbietern und den ÖPNV-Unternehmen und dem Einstieg der DB in den Jahren wurden 1999 bis 2002 fast flächendeckend Tarife mit sehr geringen, seltener auch gar keinen Fixkosten eingeführt. In den letzten Jahren sind diese Tarife ohne Fixkosten nach und nach aus den Tariftabellen aller klassischen Carsharing-Anbieter wieder verschwunden, obwohl diese Tarife auch für die lokalen Carsharing-Anbieter zu sehr vielen Kunden geführt haben. Warum?

Die Erfahrung war nicht positiv. Die Kunden waren zumeist "Karteileichen" und wenn sie dann "alle paar Jahre mal" fuhren, hatten sie relativ häufig vergessen, wie Ihre PIN ist, wie sie buchen und/oder wo die Stationen waren usw. Entsprechend viele Probleme und Arbeit lösten diese Kunden aus und machten dann auch noch (verständlicherweise) negative Mund-zu-Propaganda. Wirtschaftlich waren diese vielen Kunden also eher kontraproduktiv. Zudem gibt es Hinweise, dass die positive verkehrliche Wirkung des Carsharing bei der äußerst seltenen Nutzung durch diese Kundengruppe auch noch stark geschwächt wird.

Mit diesen Erfahrungen setzte sich die Erkenntnis durch, dass die primäre Zielgruppe fürs Carsharing nur Teilnehmer sind, die Carsharing auch wirklich nutzen wollen. Und wenn sie das wollen, sind z.B. 5 EUR Grundgebühr vor dem Hintergrund der realen Kosten eines eigenen Autos doch eher "Kleinkram".

Bei den Tarifen ohne Fixkosten sind natürlich die Fahrtkosten entsprechend höher. Das führt dazu, dass für Teilnehmer, die Carsharing mehrmals im Jahr oder Monat nutzen wollen, die Preise unattraktiv hoch sind. Wenn man z. B. die normale Carsharing-Nutzung auf Flinkster überträgt liegt man bei 50 Cent pro km, das ist eindeutig zu teuer um als dauerhafter Ersatz für den eigenen Wagen akzeptiert zu werden. Hohe Fahrpreise ohne Fixkosten sind also eher Tarife zum Abgewöhnen der Carsharing-Idee (und nicht zum Abgewöhnen des eigenen Autos...).

Tarife ohne Fixkosten waren also bisher für Anbieter wie Kunden ökonomisch wie ökologisch nicht wirklich nachhaltig. Mal sehen, welche Erfahrungen sixticarclub und DB mit Flinkster machen.

Noch ein aktueller Nebenaspekt: Die Kautionen. So anachronistisch Kautionen aus Sicht der Angebote von DB und Sixt wirken, so stabilisierend sind sie doch in Zeiten der Finanzkrise. Das klassische Carsharing hat so auch in diesen Zeiten kein Finanzierungsproblem, ganz im Gegensatz zu vielen Akteuren im Automobilbereich.

Sonntag, 9. November 2008

DB Carsharing als Wettbewerber des lokalen Carsharing: Hintergründe und Einschätzungen

Mit der Pressekonferenz der Bahn am 6.11. in Stuttgart sind nun wesentliche Infos öffentlich: Die DB startet mit 100 Fahrzeugen in Stuttgart und Köln. Das neue Produkt, das nun "flächendeckend" in den Kerngebieten der beiden Städte angeboten werden soll, heißt "Flinkster". "Flinkster"-Fahrzeuge sind Alfa Romeo Mitos zu einem Preis von 1,50 € pro Stunde und 0,25 € pro km (inkl. Treibstoff). Neben dem für DB-Verhältnisse äußerst günstigen Fahrtkosten ist die Tarif-Überraschung, dass sogar die Startgebühr entfällt. "Flinkster"-Kunden zahlen also neben den Fahrtkosten absolut gar nichts, keine Startgebühr, kein Monatsbeitrag oder Kaution.

Das Angebot ist damit preislich äußerst attraktiv. Man kann sich wohl den Zweifeln des BAV-Geschäftsführers Brabec anschließen, dass dieses Angebot kostendeckend ist, vor allem bei kurzen Fahrten mit wenigen km.

Die Tarifstruktur offenbart einen wesentlichen Kurswechsel: Bisher waren die Zeitpreise des DB Carsharing immer sehr hoch, im Gegenzug die km-Preise offiziell als (reine) Treibstoffpauschalen kalkuliert. Die Tarife waren damit verwandt zu Preisen der Autovermieter. Nun die Kehrtwende: Nun sind die Zeitpreise günstiger als bei den meisten klassischen Carsharing-Organisationen, dafür liegt der km-Preis eher höher. Die Hintergründe zu dieser Kehrtwende bei den Tarifen wären sicherlich interessant, leider begründet die DB dies aber nicht.

Noch eine Besonderheit von "Flinkster": Wegen des Wegfalls der Aufnahmegebühr ist bemerkenswerter Weise der Zugang zum deutschlandweiten DB-Carsharing-Netz gesperrt. "Flinkster"-Kunden können nur "Flinkster"-Fahrzeuge fahren. Sieht man DB-intern große Kannibalisierungsgefahren zum bestehenden DB-Carsharing?

Die Angst vor Kannibalisierung wäre jedenfalls der einzig erkennbare Grund, warum die DB mit dem neuen, aus DB-Sicht so erfolgsversprechenden "Flinkster"-Angebot nicht in Berlin, der einzigen Stadt, in der sie schon heute ein eigenes, breites Carsharing-Stationsnetz hat, startet. Auf jeden Fall ist bemerkenswert, dass die DB für Berlin keine "Flinkster"-Fahrzeuge ankündigt.

Für die bundesweite Bedeutung ist ein Satz in den Stuttgarter Nachrichten interessant: Es ist ein zweijähriger Pilot. Damit fällt das Ende des "Flinkster"-Piloten mit dem Ablauf der Kooperationsverträge mit den größeren Carsharing-Anbieter in Rhein-Main, München, Halle/Leipzig/Dresden zusammen. Es ist damit alles darauf vorbereitet, dass Ende 2010 die Bahn alle Handlungsoptionen hat.

Samstag, 1. November 2008

Car2go: Eher Konkurrent für's Taxi? Oder gar für Bus und Bahn?

Der smart als potentiell flächendeckende One-way-Lösung hat in den Medien diverse Wellen geschlagen. Auch wenn sich Car2go selbst als Carsharing bezeichnet, scheint das Taxi-Gewerbe Car2go viel klarer als Wettbewerber zu sehen. Dies drückt sich nicht nur im Handelsblatt-Artikel "Daimler macht Taxifahrern Konkurrenz" aus, sondern auch in den Reaktionen im Taxi-Gewerbe. Vor Ort organisiert sich der Widerstand, schließlich sind Taxi-Unternehmen bisher treue Kunden von Mercedes. Gleichzeitig gibt es aber auch verhaltenere Töne wie z.B. bei taxi heute.

Die Carsharing-Branche reagiert zurückhaltend, aber grundsätzlich offen. Der Bundesverband begrüßt den Versuch und spricht erstmal vor allem die offenen Fragen an. Die Carsharing-Anbieter schauen vor allem neugierig nach Ulm. Wenn Car2go erfolgreich sein sollte, wird das Carsharing eine nächste Stufe der Angebotsqualität erreichen. In diesem veränderten Markt wird das bisherige Angebot aber auch seinen Platz finden.

Aus der ÖPNV-Branche gab es wohl bisher keine Reaktion. Doch ein Auto für 19 Cent pro Minute kann auch Wettbewerb für Bus und Bahn bedeuten. Das ÖPNV-Abo ist bisher quasi immer (deutlich) günstiger als Car2go. Doch Einzel- und Tageskarten sind zum Teil (vor allem außerhalb der Hauptverkehrszeiten) teurer als Car2go. Car2go als Alternative zu schwach ausgelasteten Bus-Linien?

Sicherlich sind das bisher alles Gedankenspiele. Ob Car2go funktioniert und kostendeckend oder gar rentabel laufen kann, muss sich in Ulm in 2009 noch zeigen.